Was ist eine Beschwerde beim EGMR
Mit einer Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) können Bürger durch ein internationales Gericht überprüfen lassen, ob ein Gerichtsurteil oder eine andere staatliche Maßnahme sie in grundlegenden Rechten verletzt, die ihnen nach der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zustehen. Beispiele für solche Rechte sind das Recht auf ein faires Verfahren, die Meinungsfreiheit oder die Versammlungsfreiheit.
Praxisbeispiel: Heinisch gegen Deutschland
Eine Mitarbeiterin eines Pflegeheims war der Auffassung, dass die Bewohner des Pflegeheims schlecht behandelt werden. Sie erstattete Strafanzeige. Die Staatsanwaltschaft ermittelte, stellte das Verfahren aber ein. Der Betreiber des Pflegeheims entließ die Mitarbeiterin. Sie wehrte sich gerichtlich gegen die Kündigung. Das Bundesarbeitsgericht bestätigte die Kündigung in letzter Instanz. Die Mitarbeiterin scheiterte mit einer Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht. Daraufhin legte die Mitarbeiterin eine Beschwerde beim EGMR ein. Der EGMR stellte eine Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäußerung fest. Auch das Erstatten einer Strafanzeige sei vom Recht auf freie Meinungsäußerung umfasst, so der Gerichtshof.
Die Beschwerde beim EGMR wird häufig auch als Menschenrechtsbeschwerde bezeichnet.
Eine zusätzliche Instanz (?): Der EGMR in Straßburg
Die Prüfung einer Beschwerde erfolgt durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Eine Individualbeschwerde beim EGMR bietet somit ein zusätzliches Rechtsmittel, wenn innerhalb eines Staates alle Instanzen ausgeschöpft sind.
Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass eine Beschwerde nur in bestimmten Fällen erfolgversprechend ist. Der EGMR rollt einen Fall nicht komplett neu auf. Er prüft den Fall ausschließlich im Hinblick auf eine Verletzung der EMRK. Daher hat eine Beschwerde nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn gute Gründe dafür sprechen, dass die nationalen Gerichte die EMRK verletzt haben.
Zudem müssen Beschwerdeführer strenge formale Voraussetzungen beachten. In der Praxis ist daher nur ein geringer Teil der Beschwerden erfolgreich.
Das Verfahren beim EGMR: Prüfung einer Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)
Im Verfahren über eine Beschwerde beim EGMR geht es um die Frage, ob ein Staat die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verletzt hat. Deutschland hat die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) unterzeichnet. Diese enthält einen Katalog bestimmter fundamentaler Rechte und Freiheiten. Dazu gehören beispielsweise das Recht auf Leben, das Verbot von Sklaverei und Zwangsarbeit, die Versammlungsfreiheit, die Meinungsfreiheit oder das Recht auf ein faires Verfahren.
Staaten, die die EMRK unterzeichnen, verpflichten sich damit, diese Rechte für alle Personen in ihrer Hoheitsgewalt zu gewährleisten. Um sicherzustellen, dass Staaten ihren Verpflichtungen nach der EMRK auch gerecht werden, gibt es ein eigenes Gericht: Den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR).
Was ist der EGMR?
Der EGMR ist ein internationales Gericht mit Sitz in Straßburg. Er ist ein Organ des Europarates, einer internationalen Organisation mit 46 Mitgliedsstaaten (der EGMR hat also nichts mit der EU zu tun).
Aufgabe des EGMR
Der EGMR hat die Aufgabe, die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention zu überwachen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kontrolliert, dass die Staaten diese Pflicht erfüllen. Durch die Unterschrift unter die EMRK unterwerfen sich Staaten auch der Rechtsprechung des EGMR. Menschen in der Hoheitsgewalt dieser Staaten haben damit das Recht, sich über Maßnahmen der Staaten beim EGMR zu beschweren und dadurch prüfen zu lassen, ob diese Maßnahmen sie in ihren Rechten verletzen. Der EGMR entscheidet dann, ob eine Verletzung der EMRK vorliegt. Der jeweilige Staat ist an dieses Urteil gebunden.
Die Richter am EGMR
Für jedes Mitgliedsland des Europarates wird beim EGMR ein Richter ernannt. Es sind dort also 46 Richter tätig. Die Richter sind dort allerdings nicht als Vertreter des Landes, aus dem sie kommen. Das heißt, sie müssen und dürfen nicht die Interessen ihres Heimatlandes wahrnehmen und unterliegen keinen Weisungen aus diesem Land. Vielmehr urteilen sie unabhängig und sind nur an das Gesetz gebunden.
Die Mitgliedsstaaten des Europarates können die Richter auch nicht einfach selbst ernennen. Jedes Land legt dem Europarat eine Liste von drei Kandidaten vor. Aus dieser Liste wählt dann die Parlamentarische Versammlung des Europarates einen Kandidaten aus. Richter am EGMR müssen hohes sittliches Ansehen genießen und entweder die Voraussetzungen für das Richteramt mitbringen oder Rechtsgelehrte von anerkanntem Ruf sein. Sie werden für eine Amtszeit von neun Jahren gewählt. Eine erneute Wahl oder Ernennung als Richter am EGMR ist danach nicht mehr möglich.
Die Kanzlei des EGMR
Ein wichtiges Organ des Gerichtshofs ist die Kanzlei („registry“). Dort arbeiten zahlreiche Juristen aus Vertragsstaaten der EMRK. Sie bereiten die Entscheidungen der Richter vor und führen juristische Recherchen durch. Unter anderem soll das gewährleisten, dass die Richter das Verfahren, das zu der Beschwerde beim EGMR geführt hat, genau verstehen. Darüber hinaus ist die Kanzlei zuständig für die Verwaltung des Gerichtshofs und die organisatorischen Abläufe.
Die Menschenrechtsbeschwerde: Ein genauerer Blick
Wenn jemand glaubt, dass ein Mitgliedsstaat der EMRK ihn in seinen Grundrechten verletzt hat, kann er eine Individualbeschwerde beim EGMR einlegen („Menschenrechtsbeschwerde“). Der Gerichtshof prüft dann, ob tatsächlich eine Verletzung von Rechten stattgefunden hat, die in der EMRK verankert sind – und nur das. Der EGMR führt keine vollständige juristische Prüfung der Urteile nationaler Gerichte durch. Er beschäftigt sich nicht mit der Frage, ob die deutschen Gerichte in ihren Urteilen Vorschriften des deutschen Rechts richtig angewandt haben (oder die Gerichte anderer Vertragsstaaten der EMRK ihre jeweiligen nationalen Gesetze). Der Gerichtshof prüft auch nicht die Tatsachenfeststellungen durch nationale Gerichte.
Es hat also keinen Sinn, eine Beschwerde beim EGMR einzulegen mit der Begründung, die Gerichte hätten einem Zeugen geglaubt, dieser hätte aber tatsächlich gelogen, oder eine Urkunde, auf die ein deutsches Gericht seine Feststellungen gestützt habe, sei gefälscht gewesen. Mit diesen Fragen beschäftigt sich der Gerichtshof nicht. Er prüft den gesamten Fall gewissermaßen nur „durch die Brille der EMRK“.
Dies liegt an der Aufgabe des Gerichtshofs: Nach Art. 19 EMRK besteht diese darin, die Einhaltung der Verpflichtungen sicherzustellen, die die Vertragsstaaten durch die Unterzeichnung der EMRK und der Zusatzprotokolle eingegangen sind. Daraus ergibt sich, dass der EGMR sich eben nur mit der Einhaltung der EMRK und der Zusatzprotokolle befasst, nicht aber mit der richtigen Anwendung nationalen Rechts. Deshalb hat eine Beschwerde beim EGMR nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn man eine Vorschrift der Konvention findet, die möglicherweise verletzt sein könnte.
Zulässigkeit einer Beschwerde beim EGMR: Wichtige Voraussetzungen
Wie erwähnt, ist eine Beschwerde beim EGMR (Menschenrechtsbeschwerde) nur zulässig, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Voraussetzungen sind in den Artikeln 34 und 35 EMRK niedergelegt. Die wichtigsten sind:
Opfereigenschaft
Eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte kann nur einlegen, wer selbst direkt durch eine staatliche Maßnahme betroffen ist. Es reicht also nicht aus, wenn man glaubt, dass ein Gesetz oder eine Handlung eines Staates gegen die EMRK verstößt. Vielmehr muss man selbst betroffen sein, die Maßnahme gewissermaßen „am eigenen Leib spüren“. In einigen Fällen hat der EGMR Ausnahmen von diesem Grundsatz zugelassen. Er hat das Recht bestimmter Organisationen anerkannt, Beschwerden für andere Personen oder Gruppen einzulegen – beispielsweise, weil diese Personen aufgrund ihres Geisteszustandes selbst keine Entscheidungen treffen konnten. Das sind aber Ausnahmefälle. Im Grundsatz bleibt es dabei, dass Beschwerdeführer selbst betroffen sein müssen.
Erschöpfung innerstaatlicher Rechtsmittel
Bevor man eine Beschwerde beim EGMR einreichen kann, muss man alle innerstaatlichen Rechtsmittel ausgeschöpft haben. Das bedeutet, dass man den Fall zunächst im eigenen Land vor ein Gericht bringen und den gesamten Instanzenzug durchlaufen muss. In aller Regel muss man, wenn es um ein Verfahren in Deutschland geht, auch eine Verfassungsbeschwerde einreichen. Erst wenn alle innerstaatlichen Rechtsmittel erfolglos geblieben sind, ist der Weg zum EGMR frei.
Das Erfordernis der Erschöpfung innerstaatlicher Rechtsmittel hat darüber hinaus noch einen weiteren Aspekt: Wer beabsichtigt, eine Beschwerde beim EGMR einzulegen, muss den rechtlichen Gesichtspunkt, auf den er seine Beschwerde stützen möchte, auch bereits vor nationalen Gerichten geltend machen. Wer sich beispielsweise vor dem EGMR darauf berufen möchte, dass er in seiner Meinungsfreiheit verletzt ist, muss auch vor den nationalen Gerichten auf die Verletzung der Meinungsfreiheit hinweisen.
Der Grund für dieses Erfordernis liegt im Prinzip der Subsidiarität. Der EGMR soll dann eingreifen, wenn Staaten ihren Verpflichtungen nach der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) nicht gerecht werden. Der EGMR handelt also dann, wenn der Staat versagt hat. Bevor der Gerichtshof aktiv wird, muss der Staat selbst zunächst die Möglichkeit bekommen, Fehler selbst zu korrigieren. Das kann er nur, wenn der Betroffene den staatlichen Instanzenzug durchläuft und dabei auch auf den Fehler hinweist.
Der EGMR fordert nicht, dass man einen Artikel der EMRK erwähnt („Artikel 10“) oder das Recht exakt benennt, auf das man sich beruft. Es muss auf nationaler Ebene lediglich inhaltlich deutlich werden, welches Recht man geltend macht. Allerdings kann es manchmal zweifelhaft sein, ob man dies getan hat. Es empfiehlt sich daher, schon vor den nationalen Gerichten ausdrücklich auf den jeweiligen Artikel der EMRK zu verweisen. In vielen Fällen wird es sich auch anbieten, Rechtsprechung des EGMR zu zitieren oder auf ähnlich gelagerte Fälle zu verweisen.
Frist
Die Beschwerde beim EGMR muss innerhalb einer bestimmten Frist eingereicht werden. Diese beträgt vier Monate. Sie wird von dem Zeitpunkt an gerechnet, an dem die letzte Entscheidung auf nationaler Ebene dem Beschwerdeführer oder seinem Anwalt zugeht. Lange Zeit betrug die Frist sechs Monate; in älteren Publikationen findet man daher noch Hinweise auf die Frist von sechs Monaten. Diese Regelung ist aber durch das 15. Zusatzprotokoll zur EMRK geändert worden.
Wie läuft ein Verfahren beim EGMR ab?
Die Einlegung der Menschenrechtsbeschwerde
Die Eckpunkte des Verfahrens beim EGMR sind in der Europäischen Menschenrechtskonvention geregelt. Einzelheiten stehen in der Verfahrensordnung des Gerichtshofs. Die Verfahrensordnung wird von den Richtern des EGMR selbst beschlossen und regelmäßig aktualisiert, um neuen Entwicklungen Rechnung zu tragen. Zunächst mag es ungewöhnlich erscheinen, dass die Richter selbst über die Regeln des Verfahrens entscheiden, an die sie dann gebunden sind. Bei internationalen Gerichten ist dies aber eine übliche Vorgehensweise.
Das Verfahren beim EGMR kommt durch die Einreichung einer Beschwerde in Gang. Dazu muss man ein Formular benutzen, das der Gerichtshof zur Verfügung stellt. Die Individualbeschwerde (Menschenrechtsbeschwerde) muss alle Informationen enthalten, die der EGMR benötigt, um zu prüfen, ob die EMRK verletzt worden ist. Dazu gehört eine Schilderung des Sachverhalts, die aus sich selbst heraus verständlich ist. Der Gerichtshof muss also ohne weitere Unterlagen nachvollziehen können, welche Umstände zu der Beschwerde geführt haben und welche Maßnahme man dem jeweiligen Staat vorwirft. Im weiteren Verfahren ist es möglich, einzelne Punkte zu ergänzen und weiter auszuführen. Man kann die Beschwerde aber nicht auf Umstände stützen, die nicht in der ursprünglichen Schilderung des Sachverhaltes enthalten sind. Darüber hinaus muss die Individualbeschwerde eine kurze rechtliche Würdigung enthalten. Ihr müssen auch alle Unterlagen beigefügt sein, die der EGMR zur Prüfung benötigt. Es ist also nicht möglich, die Beschwerde zunächst einzureichen, um die Frist zu wahren, und dann noch weitere Unterlagen nachzureichen. Darüber hinaus sind noch einige weitere Angaben erforderlich.
Das Beschwerdeformular des EGMR
Um sicherzustellen, dass Beschwerdeführer bei Einreichung der Menschenrechtsbeschwerde dem EGMR alle benötigten Informationen geben, stellt der Gerichtshof ein Formular zur Verfügung. Die rechtliche Grundlage dafür ist Regel 47 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs. Das Beschwerdeformular kann man auf der Webseite des EGMR herunterladen. Seine Verwendung ist zwingend. Das heißt, dass der Gerichtshof eine Individualbeschwerde nicht bearbeitet, wenn sie nicht auf dem Formular eingereicht wird (es gibt sehr seltene Ausnahmen von dieser Regel). Der Beschwerdeführer muss dem Formular Kopien aller Unterlagen beifügen, die der Gerichtshof für seine Entscheidung benötigt. Das sind vor allem die Urteile, die in der Angelegenheit ergangen sind.
Das weitere Verfahren
Geht das Beschwerdeformular beim EGMR ein, prüft die Kanzlei des Gerichtshofs zunächst, ob es vollständig ausgefüllt und unterschrieben ist. Dann entscheidet der Gerichtshof, wer sich mit der Beschwerde befassen soll. Grundsätzlich kann ein Einzelrichter, ein Ausschuss (oder Komitee) aus drei Richtern oder eine Kammer aus sieben Richtern über einen Fall entscheiden.
Ein Einzelrichter kann die Beschwerde nicht für begründet erklären. Die einzige Entscheidung, die er treffen kann, ist es, die Beschwerde zurückzuweisen. Deshalb werden dem Einzelrichter solche Beschwerden zugewiesen, bei denen der Gerichtshof davon ausgeht, dass sie ohne weitere Prüfung zurückgewiesen werden können. Wenn der EGMR dagegen der Auffassung ist, dass die Beschwerde einer weiteren Prüfung bedarf, wird sie einem Ausschuss aus drei Richtern oder einer Kammer aus sieben Richtern zugewiesen.
Im weiteren Verlauf des Verfahrens informiert der EGMR den Staat, gegen den sich die Beschwerde richtet, dass eine Beschwerde eingegangen ist. Der Staat hat dann die Gelegenheit, eine Stellungnahme abzugeben. Dazu kann sich wiederum der Beschwerdeführer äußern. Darüber hinaus können der Beschwerdeführer und der Staat versuchen, eine gütliche Einigung zu erzielen. Kommt es nicht zu einer gütlichen Einigung, entscheidet der Gerichtshof den Fall. Unter bestimmten Voraussetzungen kann man gegen das Urteil des Gerichtshofs noch ein Rechtsmittel einlegen. Es entscheidet dann die sogenannte Große Kammer des EGMR.
Benötige ich für ein Verfahren beim EGMR einen Rechtsanwalt?
Für die Einlegung einer Beschwerde beim EGMR benötigen Sie rechtlich gesehen keinen Rechtsanwalt. Jeder Beschwerdeführer kann eine Beschwerde selbst einlegen; die Beschwerde wird nicht dadurch unzulässig, dass der Beschwerdeführer keinen Rechtsanwalt hat (hier liegt es also anders als etwa in Deutschland in Verfahren beim Bundesgerichtshof).
Allerdings gilt diese Regel nur für die Einlegung der Beschwerde. In einem späteren Stadium des Verfahrens, wenn der Staat, gegen den sich die Beschwerde richtet, über die Menschenrechtsbeschwerde informiert wird (siehe zum Ablauf des Verfahrens oben), muss der Beschwerdeführer einen Rechtsanwalt beauftragen. Er wird darüber schriftlich informiert und hat dann Zeit, sich einen Anwalt zu suchen.
Ratsam ist es allerdings, schon bei der Abfassung der Menschenrechtsbeschwerde einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Die formalen Anforderungen an eine Beschwerde sind hoch und die Rechtsprechung des EGMR ist umfangreich und weit verzweigt. In den meisten Fällen wird es nur Juristen gelingen, die wesentlichen Punkte zu identifizieren und so zusammenzufassen, dass die Verletzung der EMRK deutlich wird.
Rechtsanwälte benötigen keine besondere Zulassung, um beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Mandanten vertreten zu können (anders als etwa beim Bundesgerichtshof in Zivilsachen). Auch Anforderungen bezüglich der Berufserfahrung oder Ähnliches gibt es nicht. Rechtsanwälte müssen nicht in dem Land zugelassen sein, gegen das sich die Beschwerde richtet. Es kann also beispielsweise ein deutscher Rechtsanwalt einen Schweizer Staatsbürger in einem Verfahren gegen die Schweiz vertreten.
Kosten eines Verfahrens beim EGMR
Vefahrenskosten
Beim EGMR fallen keine Gerichtskosten an. Ist eine Beschwerde erfolglos, ist der Beschwerdeführer nicht zur Erstattung von Kosten verpflichtet, die bei dem Staat, gegen den sich die Beschwerde richtet, angefallen sind – beispielsweise dadurch, dass der Staat sich durch einen Rechtsanwalt oder einen anderen Prozessvertreter hat vertreten lassen. Dadurch soll verhindert werden, dass Personen durch die Angst vor Kosten an der Geltendmachung ihrer Rechte gehindert werden.
Anwaltskosten
Die Kosten eines Verfahrens beim EGMR entsprechen damit den Kosten, die dem Beschwerdeführer durch die Beauftragung eines Rechtsanwaltes entstehen. Ist die Menschenrechtsbeschwerde erfolgreich – stellt also der EGMR eine Verletzung der EMRK fest – beschließt der Gerichtshof in aller Regel, dass der Staat dem Beschwerdeführer dessen Kosten erstatten muss.
Der EGMR ordnet aber nur die Erstattung derjenigen Kosten an, die er als notwendig ansieht. Das sind nicht nur die Honorare, die das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) für die Vertretung beim EGMR vorsieht. Die Beträge können deutlich höher sein. Allerdings kann es auch passieren, dass der Gerichtshof ein Anwaltshonorar als überhöht ansieht und daher keine volle Erstattung der Kosten anordnet.
Prozesskostenhilfe
Auch beim EGMR gibt es die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe in Anspruch zu nehmen. Allerdings wird diese nicht für die Einreichung einer Beschwerde gewährt. Die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe zu erhalten, gibt es vielmehr erst von dem Moment an, in dem die Regierung des Staates, gegen den sich die Beschwerde richtet, von der Beschwerde informiert wird (siehe Verfahrensablauf oben).
Ergebnis eines Verfahrens beim EGMR
Feststellung einer Verletzung der EMRK
Der EGMR prüft, ob tatsächlich eine Verletzung von Rechten vorliegt, die die EMRK garantiert. Wenn das nach der Auffassung des Gerichtshofs der Fall ist, stellt er zunächst eine Verletzung fest. Diese Feststellung an sich hat zunächst keine direkten Konsequenzen. Vor allem kann der Gerichtshof Urteile nationaler Gerichte nicht aufheben oder abändern (siehe unten).
Die Feststellung der Konventionsverletzung ist einerseits eine moralische Genugtuung für den Betroffenen. Die Verletzung seines Rechts ist durch das Urteil gewissermaßen offiziell. Zum anderen ist die Feststellung eine Erinnerung für den Staat daran, seinen Pflichten nach der EMRK zu erfüllen.
Entschädigung
Darüber hinaus kann der EGMR dem Betroffenen eine Entschädigung zusprechen. Man unterscheidet hier zwischen dem Ersatz für materielle Schäden und der Entschädigung für immaterielle Schäden.
Der Ersatz für materielle Schäden ist ein Ausgleich für finanziell messbare Einbußen, die der Betroffene erlitten hat. Der Gerichtshof kann einen solchen Schadensersatz beispielsweise zusprechen, wenn eine Enteignung gegen das Recht auf Eigentum verstoßen hat.
Bei der Entschädigung für immaterielle Schäden geht es dagegen eher um eine Wiedergutmachung für das Leid oder den psychologischen Schaden, den der Betroffene durch die Verletzung seiner Rechte erlitten hat. Es steht im Ermessen des Gerichtshofs, ob und in welcher Höhe er dem Beschwerdeführer Ersatz für immaterielle Schäden zuspricht. Häufig handelt es sich um Beträge zwischen 2.000 € und 10.000 €, wobei es Ausnahmen in beide Richtungen gibt.
Folgen für das Verfahren in Deutschland
Wie schon erwähnt, kann der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Urteile nationaler Gerichte nicht abändern. Wenn ein Beschwerdeführer beispielsweise in einem Zivilprozess zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt wurde und der Gerichtshof feststellt, dass in dem Prozess das Recht auf ein faires Verfahren verletzt wurde, kann er die Klage nicht abweisen.
Der EGMR kann Urteile deutscher Gerichte auch nicht aufheben und ein neues Verfahren anordnen. Stellt der Gerichtshof beispielsweise fest, dass ein deutsches Gericht in einem Strafverfahren das Recht auf ein faires Verfahren verletzt hat, kann er das Urteil des deutschen Gerichts dennoch nicht aufheben oder einen neuen Prozess anordnen. Auch hier bleibt es dabei, dass der EGMR lediglich eine Verletzung der Konvention feststellen und gegebenenfalls Schadensersatz zusprechen kann.
Allerdings gibt es im deutschen Recht Vorschriften, nach denen Prozesse wieder aufgerollt werden können, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der EMRK festgestellt hat. Beispielsweise regelt für das Strafverfahren § 359 StPO Nr. 6: Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil zugunsten des Verurteilten ist zulässig, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht. Ähnliche Vorschriften gibt es beispielsweise auch in § 580 Nr. 8 ZPO oder in der Verwaltungsgerichtsordnung (hier in § 153, der auf die Zivilprozessordnung verweist).